Versicherte stehen mit 1,5 Milliarden Euro bei Krankenkassen in der Kreide
17.04.2012
Mehr als 600.000 Versicherte schulden den gesetzlichen Krankenkassen Mitgliedsbeiträge. Insgesamt ist dabei ein Schuldenberg in Höhe von 1,5 Milliarden Euro entstanden. Viele der Betroffenen sind jedoch finanziell nicht in der Lage, die ausstehenden Beiträge zu begleichen. Vielen bleibt nur der Weg in die Privatinsolvenz.
Säumige Zahler der Krankenkassen sind meistens arm
Dem deutschen Gesundheitssystem scheint es mit Reserven von derzeit knapp 20 Milliarden Euro gut zugehen. Die gesetzliche Krankenversicherung erwirtschaftete allein im letzten Jahr einen Überschuss von rund vier Milliarden Euro. Dabei haben derzeit mehr als 600.000 Versicherte gut 1,5 Milliarden Euro Schulden bei den Kassen, wie der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) heute mitteilte.
Nach Angaben des Kassenverbandes sind die Außenstände in den letzten Monaten drastisch angestiegen. Während im August 2011 noch 638.000 Versicherte Rückstände in Höhe von gut einer Milliarde aufwiesen, waren es Ende des Jahres schon 1,2 Milliarden Euro. Im Februar 2012 stiegen die Außenstände nochmals massiv an. Ursache der hohen Anzahl der säumigen Zahler ist vor allem die Einführung der Versicherungspflicht im Jahr 2007. Ein Großteil der Betroffenen war deshalb in die gesetzliche Krankenversicherung zurückgekehrt. Zuvor hatte das Sozialamt deren Beiträge übernommen. Allein diese Gruppe der Schuldner sthet bei den Kassen mit rund 466 Millionen Euro in der Kreide. „Die Einführung der Versicherungspflicht bedeutete nicht, dass die Mitglieder ihre Beiträge auch zahlen können", berichtet Ann Marini, Sprecherin des GKV. Unter den säumigen Zahlern gibt es auch viele Selbständige, die freiwillig versichert sind, aber beispielsweise aufgrund einer schlechten Auftragslage ihre Versichertenbeiträge nicht zahlen können.
Die meisten Schuldner sind arm. Viele sind schlichtweg nicht in der Lage, die ausstehenden Beiträge zu zahlen. In der Regel haben die Kassen ein gestaffeltes Mahnverfahren, bei dem die säumigen Zahler mehrfach angeschrieben werden, bevor die Hauptzollämter als Inkassostellen des Bundes und anderer öffentlich-rechtlicher Einrichtungen beginnen, das Geld einzutreiben. Die Krankenkassen berichten, dass selbst Vollziehungsbeamte im Außendienst häufig nichts eintreiben könnten, da viele Betroffene über so wenig Mittel verfügen und es deshalb auch nichts zu holen gebe. Weil aber eine Versicherungspflicht besteht, können die Betroffenen seitens der Kassen nicht gekündigt werden.
Nicht-Zahler-Tarif für Privatversicherte geplant
Auch die private Krankenversicherung kennt das Problem. Wie im Januar dieses Jahres bekannt wurde, weist die Privatversicherungen ein stetig steigendes Finanzloch auf. Nach Angaben des Dachverbandes der Privaten Krankenversicherungen (PKV) belief sich der Gesamtschaden im letzten Jahr auf rund 500.000 Euro. Ende 2011 konnten laut unbestätigter Medienberichte rund 145.000 Privatversicherte ihre Beiträge nicht mehr zahlen. Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet nun mit den Versicherern an der Einführung eines „Nottarifs“, in dem nur noch „Notfallleistungen“ wie die Versorgung während der Schwangerschaft und akute gesundheitliche Probleme enthalten sind. Damit soll die PKV auf Kosten der Leidtragenden entlastet werden.
Was tun bei Beitragschulden?
Wer Beitragsschulden angehäuft hat, muss in jedem Fall die Beiträge rückwirkend nachbezahlen. Wer die Schulden nicht auf einmal begleichen kann, kann mit den Kassen in aller Regel eine Ratenzahlung vereinbaren. Zudem ist es ratsam schon im laufenden Jahr um eine Reduzierung der Beiträge bei der Krankenkasse zu bitten. Denn zu viel gezahlte Beiträge werden am Jahresende nicht zurück erstattet, auch wenn der Versicherte aufgrund seines Einkommens weniger hätte zahlen müssen. Kann das Geld in keinem Fall aufgebracht werden, so empfiehlt sich nach Rücksprache mit einer Schuldnerberatungsstelle eine Privatinsolvenz. (ag)
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