Zehntausende wechseln von gesetzlichen zur privaten Krankenversicherungen
16.05.2011
Die von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen der Gesundheitsreform zur Stärkung der privaten Krankenversicherungen (PKV) tragen erste Früchte. Wie die „Frankfurter Rundschau“ (FR) berichtet, haben die privaten Krankenversicherungen den gesetzlichen Krankenkassen im ersten Quartal des Jahres 2011 knapp 40.000 Mitglieder abgeworben – rund 40 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Die privaten Krankenversicherungen profitieren erheblich von den seit Jahresbeginn geltenden Vereinfachung des Versicherungswechsels in die PKV, welche letztes Jahr im Rahmen der Gesundheitsreform beschlossen wurden. Den Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums zufolge, sind dieses Jahr von Januar bis April bereits 39.670 Personen in eine private Krankenversicherung gewechselt. Gegenüber den 28.577 Versicherungswechslern aus dem Jahr 2010 eine Steigerung um fast 40 Prozent. Während sich die privaten Krankenversicherungen über den Mitgliederzuwachs freuen, drohen den gesetzlichen Krankenkassen nicht unerheblich Einnahmeverluste. Denn es wechseln in erster Linie junge, gesunde, gut verdienende Mitglieder, bei denen die Versicherungseinnahmen über den Kosten lagen, in die PKV.
Vereinfachter Versicherungswechsel seit Jahresbeginn
Seit Jahresbeginn können Versicherte bereits ab einem einmaligen Jahreseinkommen von mindestens 49.500 Euro (Versicherungspflichtgrenze) in die PKV wechseln. Bis dato mussten Angestellte über einen Zeitraum von drei Jahren mit ihrem Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze liegen. Im Rahmen der Gesundheitsreform hat die Bundesregierung aus CDU , CSU und FDP jedoch beschlossen, den Versicherungswechsel zu vereinfachen und so den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Versicherungssystemen zu intensivieren. Von den neuen Wechselmöglichkeiten machen nun offenbar zahlreiche Versicherte Gebrauch. In den ersten drei Monaten des Jahres 2011 sind rund 40 Prozent mehr Personen in die PKV gewechselt, als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Private Krankenversicherungen über Mitglieder-Zustrom erfreut
Stefan Reker, Sprecher des Verbandes der privaten Krankenversicherung, freute sich über den Zustrom in die PKV und betonte gegenüber der „FR“, dass „es gut und richtig“ gewesen sei, die „Drei-Jahres-Wartefrist“ wieder abzuschaffen, da nun „mehr Wahlfreiheit für die Versicherten“ bestehe. „Wir freuen uns, wenn viele Versicherte diese Freiheit nutzen, um sich für die private Krankenversicherung zu entscheiden,“ erklärte Reker im Namen des Verbandes der privaten Krankenversicherung. Einen Großteil der Neukunden kam dabei den beiden größten privaten Krankenversicherungen, der Debeka und der DKV, zu Gute. „Wir spüren eine deutliche Belebung des Neugeschäfts“, erklärte ein Sprecher der DKV im Gespräch mit der „FR“. Genau Zahlen wollte die DKV jedoch nicht nennen. Die Debeka erklärte hingegen, dass in den ersten drei Monaten des Jahres 14.000 Neumitglieder aus der gesetzlichen Krankenversicherung gewonnen werden konnten. Auch bei der Debeka wurde von einer „spürbaren Belebung“ des Geschäfts berichtet.
Wechselwelle bedingt finanzielle Einbußen bei der GKV
Doch was die privaten Krankenversicherungen freut, geht zu Lasten der ohnehin schon gebeutelten gesetzlichen Krankenversicherungen. Viele der gesetzlichen Versicherer stehen angesichts der Kostenexplosion im Gesundheitswesen bereits unter deutlichem finanziellen Druck, den sie nur durch die Erhebung von Zusatzbeiträgen auffangen können. Doch wie der aktuelle Fall der insolventen City BKK auf dramatische belegt, kann durch die Einführung der Zusatzbeiträge eine Wechselwelle verursacht werden, die die finanziellen Probleme der Versicherung noch verschärft. Dass vor allem gesunde, junge, gut verdienende Mitglieder der GKV den Rücken kehren und sich privat versichern, stellt dabei ein weiteres Problem dar. Denn die zurück bleibenden Versicherten verursachen oft mehr Kosten, als die Krankenkassen über deren Versicherungsbeiträge einnehmen. Bei denjenigen, die in die PKV wechseln, sieht das Verhältnis hingegen normalerweise andersrum aus – sie kosten weniger, als sie zahlen. So entstehen den gesetzlichen Versicherungen durch die Vereinfachung des Versicherungswechsels Mehrkosten, die sich im Bereich zwischen 80 Millionen Euro (Schätzung PKV) und 500 Millionen Euro (Schätzung GKV) bewegen, berichtet die „FR“. Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen betonte gegenüber der Zeitung: „Wir haben eine große Datenunklarheit in diesem Bereich“, er persönlich halte jedoch die Schätzungen der Bundesregierung mit 250 Millionen Euro für realistisch.
Versicherungswechsel in Richtung PKV kritisch beurteilt
Die massive Wechselwelle in Richtung der PKV, ist aus Sicht der Kritiker auch deswegen negativ zu beurteilen, da die privaten Versicherungen nur die Kunden annehmen, bei denen sie sich mehr Einnahmen als Ausgaben versprechen. Das heißt junge, gesunde Besserverdiener werden gern genommen. Alte, chronisch Kranke mit niedrigem Einkommen bleiben indes in der GKV. Am Ende begünstigt der von der Bundesregierung beschlossene vereinfachte Versicherungswechsel eine Art negativ Selektion, bei der die GKV erheblich geschwächt wird, so auch der Vorwurf der Opposition. Außerdem bleibt unklar inwiefern die erheblichen Provisionszahlungen für die Vermittler, die bei neuen Vertragsabschlüssen von den privaten Krankenversicherungen gezahlt werden, Einfluss auf die Zahl der Versicherungswechsel hatten. Es ist durchaus vorstellbar, das die Zahl der Versicherungswechsel, durch die vom Gesetzgeber bereits geplante Reduzierung der Provisionen, in Zukunft deutlich geringer ausfallen wird. Denn bisher sind nicht nur viele Kunden daran interessiert in die PKV zu wechseln, sondern auch die Versicherungsvermittler sind angesichts der winkenden Provisionen von bis zu 18 Monatsbeiträgen extrem motiviert, möglichst viele Neuabschlüsse zu initiieren. (fp)
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