Was wirklich der Verdauung auf die Sprünge hilft
11.04.2013
Viele Menschen leiden an Sodbrennen, Völlegefühl und Blähungen nach dem Essen. Manch einer verlässt sich dann auf alte Hausmittel wie den Kräuterschnaps oder einen Espresso, um die Verdauung anzuregen. Viele dieser vermeintlichen Verdauungshelfer haben jedoch nicht gewünschte Wirkung. Heilpflanzen und Kräuter sind meist die bessere Wahl.
Alkohol verlangsamt die Verdauung
Ein Forscherteam des Universitätshospitals Zürich um Studienleiter Mark Fox untersuchte jüngst die Verdauungswirkung von Alkohol zu einem opulenten Essen. Denn eine der bekanntesten Volksweisheiten zum Thema Verdauung ist das „Schnäpschen danach“.
Für ihre randomisierte, kontrollierte Studie ließen die Gastroenterologen und Rechtsmediziner zwanzig gesunde Probanden Käsefondue zu sich nehmen. Dazu wurden entweder 300 Milliliter Weißwein oder Tee und 20 Milliliter Kirschschnaps oder Wasser getrunken. Anhand von Alkoholatemtests und Analysen der Magenentleerung stellte sich heraus, dass die Zeit, bis die Mahlzeit vom Magen in den Dünndarm gelangte, wesentlich kürzer war, wenn die Probanden Tee und Wasser statt der alkoholischen Getränke zu sich nahmen. Alle Probanden hatten den gleichen Appetit, wobei dieser bei der Gruppe der Studienteilnehmer, die Wein und Schnaps getrunken hatten, reduziert war. Alkohol hatte folglich keinen Einfluss auf die Verträglichkeit des Käsefondues. Die Forscher raten deshalb zu Tee statt Alkohol zum Schweizer Leibgericht. Der Alkohol „entspannt offenbar intensiv die Muskeln der Magenwände und hemmt dadurch die Pumpbewegungen, die den Mageninhalt vorwärts bewegen", vermutet Fox. „Doch diesem Effekt steht eine deutlich verzögerte Magenentleerung entgegen."
Kräuter und Gewürze bei Verdauungsproblemen
Trotz der eindeutigen Ergebnisse der Schweizer Forscher, kann ein Kräuterschnaps nach dem Essen dennoch die Verdauung anregen. Denn neben Alkohol enthält der „kleine Klare danach“ traditionelle Heilkräuter wie Kümmel, Artischocke, Kamille, Anis oder Ingwer, die nachweislich bei Verdauungsstörungen, Völlegefühl und Bauchschmerzen helfen können. Alkohol ist für diese Stoffe ein besseres Trägermedium als heißes Wasser. Werden die Kräuter in Form von Tee gereicht, sind die ätherischen Öle häufig bereits verdampft.
Anis, Nelken, Ingwer und Kardamom können nicht nur in Getränken sondern auch beim Backen, in Suppen oder Saucen verwendet werden. Sie steigern den Appetit und die Produktion der Verdauungssäfte. Mit Fenchel, Kümmel, Koriander und Knoblauch kann Bähungen vorgebeugt werden. Weniger bekannt aber sehr wirksam zur Anregung der Verdauung sind Basilikum, Thymian, Wacholder, Rosmarin, Liebstöckel, Majoran und Oregano. Für Letzteres konnten Forscher der einen Antiblähungseffekt belegen. In einem Versuch mit Kühen stellte sich heraus, dass die Tiere bis zu 40 Prozent weniger Methan abgaben, wenn sie mit Oregano angereichertes Futter fraßen. Auch beim Menschen führt Oregano dazu, dass die Verdauung mit einer verringerten Methanproduktion einherging.
Mit Tee die Verdauung anregen
Einige Naturheilpflanzen lassen sich sehr gut als Tee zubereiten. Dazu gehört beispielsweise Pfefferminze, deren Menthol sich rasch mit dem Wasser verbindet. Über das ätherische Öl werden Kalzium-Ionen in die Muskeln des Magen-Darm-Trakts geschleust, die sich einerseits dadurch entkrampfen, andererseits aber auch ausreichend Spannung behalten, um den Transport der Nahrung zu gewährleisten. Australische Forscher wiesen zudem nach, dass Menthol besänftigend auf überreizte Rezeptoren im Verdauungstrakt wirkt. Nach einem ähnlichen Prinzip verhält sich das ätherische Öl auch bei der äußeren Anwendung im Bereich der Schläfen bei Kopfschmerzen.
Zubereitungen aus Salbei, Andornkraut, Angelikawurzel, Melisse, Bitterklee, Kurkuma, Schafgarbe oder Zimtrinde stimulieren den Muskeltonus und regen die Organe zur vermehrten Bewegung an. Bittere Heilpflanzen sorgen zudem dafür, dass ausreichend Magensäure, Gallensaft und Bauchspeicheldrüsenenzyme produziert werden. Dafür können Aloe, Enzian, Wermut und Rhabarberwurzel als Tee zubereitet oder nach „Maria Treben“ mit weiteren Heilpflanzen als „kleiner Schwedenbitter“ getrunken werden.
Koffeinhaltige Getränke können zwar Magen und Darm zu Bewegung mobilisieren, jedoch gilt das nicht für alle Getränke, in denen das anregende Alkaloid enthalten ist. Studien belegten, dass Kaffee und Tee nur einen schwach anregenden Effekt aufgrund des Koffeins auf die Verdauung haben. Espresso ist bekömmlicher als Filterkaffee, da er weniger Koffein und Säuren enthält.
Auch Cola enthält zu wenig Säure und Koffein, um beispielsweise ein Stück Fleisch zu zersetzen, wie häufig irrtümlicherweise angenommen wird.
Bitterstoffe regen Verdauung an
Die Verdauung beginnt bereits beim Anblick, Geruch und Geschmack einer Speise, wenn durch Reizung des Vagusnervs die Magensaftproduktion frühzeitig einsetzt. Vor allem bitterere Geschmacksnoten auf der Zunge wirken sich anregenden aus. Spezielle Kräutermischungen in Form von Granulat können deshalb zur Förderung der Verdauung kurz vor dem Essen für etwa eine Minute gekaut werden.
Bestimmte Salate und Rohkost regen vor dem warmen Gang ebenfalls die Verdauung an. Je bitterer die Salate, desto besser für die Verdauung. Endiviensalat und Chicorée sind beispielsweise geeignet. Durch bestimmte Stoffe in den Endivienblättern werden durch Aktivierung von Hormonstoffen in der Magenschleimhaut Bauchspeicheldrüse und Gallenfluss angeregt. Deshalb wird insbesondere Chicorée bei träger Leber- und Gallefunktion empfohlen. Auch Löwenzahn und Brennnessel eigenen sich gut als Wildsalate, um die Verdauung zu fördern.
Grundsätzlich sollten alle Speisen lange und gründlich im Mund gekaut werden, damit sich die Wirkung von Kräutern, Gewürzen und Salaten optimal entfalten und die Verdauung angeregt werden kann.
Mit Spaziergängen der Verdauung auf die Sprünge helfen
Der Mannheimer Internist Manfred Singer untersuchte unter anderem den Effekt von Bewegung auf die Verdauung. Dabei stellte sich heraus, dass sich Spazierengehen positiv auswirkt, sportliche Aktivität wie Nordic Walking oder Jogging dagegen negativ. Denn wer mit gefülltem Magen Sport treibt, zieht das Blut aus dem Verdauungstrakt in die Muskeln und sorgt für zu viel Bewegung im Bauch. Das Resultat können Seitenstiche sein.
Dennoch sollte nicht gänzlich auf Bewegung nach dem Essen verzichtet werden, wie ein japanisches Forscherteam um Studienleiter Yasuhiro Fujiwara von der Osaka University herausfand. Demnach erhöht ein Schläfchen innerhalb der ersten drei Stunden nach einer Mahlzeit das Risiko für Sodbrennen um mehr als das Siebenfache im Vergleich zu Probanden, die sich erst nach vier Stunden hinlegten. Durch die waagerechte Körperposition werde der „Rückfluss der Magensäure in die Speiseröhre“ gefördert, so Fujiwara.
Verdauung aus Sicht der Naturheilkunde
In der Naturheilkunde liegt ein besonderes Augenmerk auf einer funktionierenden Verdauung, da mit ihr die körperliche und seelische Gesundheit sowie ein stabiles Abwehrsystem assoziiert wird. Treten Verdauungsstörungen auf, leiden Betroffene häufig an unangenehmen Begleitsymptomen wie Sodbrennen, Übelkeit, Schmerzen und Spannungsgefühle im Bereich des Bauches, Verstopfung und Durchfall. Werden die Verdauungsprobleme nicht behandelt, kann es zu einer bakteriellen Fehlbesiedelung der Darmflora kommen. In der Folge können Durchlässigkeiten der Darmschleimhaut und Nahrungsmittelunverträglichkeiten entstehen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Laktoseintoleranz.
Ist die Darmflora belastet, können sich daraus auch Verdauungsstörungen entwickeln, beispielsweise wenn aufgrund von Bakterienmangel Speisereste nicht vollständig aufgespaltet und abgebaut werden. Betroffene leiden häufig unter starken Blähungen.
Aus Sicht der Naturheilkunde wird mit dauerhaften Verdauungsbeschwerden eine allgemeine Abwehrschwäche verbunden. Denn große Teile des Immunsystems befinden sich im Darm. Zudem soll dadurch die Entstehung von Allergien, Haut- und Autoimmunerkrankung sowie Krebs begünstigt werden. (sb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.