Müssen Weisheitszähne immer entfernt werden?
11.09.2014
Vier Weisheitszähnen hat ein Mensch normalerweise, manche haben jedoch weniger und bei einigen zeigen sie sich nie. In der Vergangenheit war es üblich, die Weisheitszähne so früh wie möglich zu ziehen, doch mittlerweile hat „ein Umdenken stattgefunden“. Für die Entscheidung, was tun, ist vor allem wichtig, einen Zahnarzt zu haben, der gut berät.
Weisheitszähne können heftige Zahnschmerzen verursachen
Die meisten Menschen haben vier Weisheitszähne, andere jedoch weniger. Bei manchen Menschen brechen sie im Jugendalter durch, bei manchen zeigen sie sich nie. Sie werden zwar beim Kauen nicht mehr gebraucht, können aber zu einer Vielzahl von Problemen führen. So verursachen sie etwa bei manchen Patienten massive Zahnschmerzen. Zudem können an den unteren Weisheitszähnen oft follikuläre Zysten, eine spezielle Form der Zahnzyste, beobachtet werden. Der Verlauf ist in der Regel lange beschwerdefrei, allerdings können als langfristige Folge Zahnfehlstellungen auftreten. Weisheitszähne können mitunter sogar Platz wegnehmen, wenn sie nie durchbrechen.
Ein Umdenken hat stattgefunden
Wie Kai Fortelka von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa erläuterte, sei es bis vor einiger Zeit üblich gewesen, die Weisheitszähne wegen möglicher Probleme so früh wie möglich zu ziehen. „In den vergangenen Jahren hat in diesem Bereich aber ein Umdenken stattgefunden.“ So würden sich die Zahnärzte nun an "einer aktualisierten Leitlinie zur operativen Weisheitszahnentfernung orientieren". Wer den Zahn loswerden möchte, muss sich operieren lassen. Wenn der Eingriff medizinisch notwendig ist, übernimmt die Krankenkasse die Kosten dafür.
Bei akuten Problemen muss Weisheitszahn normalerweise raus
Der an der Uniklinik Mainz tätige Kieferchirurg Wilfried Wagner spricht in diesem Zusammenhang von einer Risikoabwägung. Wenn ein Weisheitszahn akute Probleme verursacht, müsse er in der Regel raus. Das Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie verweist ebenfalls auf die wissenschaftliche Leitlinie, die besagt: Kommt ein Patient mit Schmerzen zum Arzt, die im Zusammenhang mit einem Weisheitszahn stehen, sollte dieser entfernt werden. Dies gelte etwa bei Kieferschmerzen, wie Druckschmerzen am Kiefer, oder wenn das umliegende Gewebe entzündet ist. Wenn der hinterste Backenzahn schmerzt, an sich jedoch gesund ist, könne das Entfernen des benachbarten Weisheitszahns ebenfalls Linderung verschaffen. Doch auch bei allgemeineren Symptomen empfiehlt die Leitlinie einen Eingriff: So etwa, wenn sich Hinweise ergeben, dass ein Weisheitszahn eine Ursache für Zahn- oder Gesichtsschmerzen ist.
Prophylaktische Entnahme der Weisheitszähne
Allerdings werden Weisheitszähne nicht nur gezogen, um Schmerzen zu behandeln, sondern in manchen Fällen auch, um ihnen vorzubeugen. Dies liege daran, dass eine prophylaktische Entnahme der Weisheitszähne einfacher und risikoärmer sei. Dabei muss der Zahnarzt abschätzen, wie sich der Außenzahn entwickeln wird. Es berge Risiken, ihn im Kiefer zu belassen. Oft würden Weisheitszähne Stück für Stück durchbrechen und könnten bei jedem kleinen Schub neue Entzündungen verursachen. Zudem führten sie zu Druck im Kiefer und bei Patienten mit engen Kiefern könnten sie die Schneidezähne übereinanderschieben. Zudem könne dieser Druck den Kiefer oder die Backenzähne schädigen.
Finanziell lukratives Geschäft
Wenn eine solche Entwicklung absehbar ist, könne eine prophylaktische Operation sinnvoll sein. Dies hänge allerdings auch immer vom Patienten ab. Wagner zufolge stecken Jugendliche und junge Erwachsene den Eingriff erfahrungsgemäß am besten weg: „Bei Patienten zwischen 14 und 25 Jahren sind am wenigsten Komplikationen zu erwarten.“ An der prophylaktischen Entfernung der Weisheitszähne gibt es aber auch massive Kritik. So thematisiert der Buchautor und Zahnarzt Dr. Lars Hendrickson i.R. seit Jahren, dass es sich dabei um ein finanziell lukratives Geschäft handle. Die Gesundheit von Patienten werde leichtfertig aufs Spiel gesetzt. „Immerhin gibt es bei jeder Zahnentfernung schwerste Risiken wie z.B. eine Gesichtslähmung, wenn der Nerv verletzt wird. Eine leichtfertige Indikation gefährdet Patienten also völlig unnötig.“
Beschwerden nach Operation
Bei einer Operation bekommen Patienten in der Regel eine Gummidrainage, die für einen Tag in der Wunde bleibt. Wie Wagner erklärte, führt diese Flüssigkeiten ab und verhindert so Schwellungen und Entzündungen. Für zwei bis drei Tage müssten Operierte mit Beeinträchtigungen rechnen. Während dieser Zeit können Schwellungen, Schluckbeschwerden, Schmerzen oder Probleme beim Öffnen des Mundes auftreten. Wagner rät Patienten, bei denen die Beschwerden anhalten, ihren Zahnarzt aufzusuchen. Neben einer Infektion der Wunde können mögliche Folgen auch Schäden an Nerven oder am Kiefer sein.
Im Zweifelsfall Zweitmeinung einholen
Klaus Koch vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zufolge mangelt es an vergleichenden Studien, die Krankheitsverläufe von operierten und nicht operierten Patienten verfolgen. Aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Daten können Zahnärzte daher nicht immer sichere Aussagen treffen. „Letztendlich braucht man einen Zahnarzt, der einen gut berät“, so Koch. Der Patient muss sich nicht gleich auf dem Untersuchungsstuhl entscheiden, wenn ihm der Zahnarzt eine Operation vorschlägt. „Im Normalfall hat diese Entscheidung keine Eile“, meint der Experte. Zudem könnten Patienten einen zweiten Arzt zurate ziehen, "wenn sie sich von den Argumenten ihres Zahnarztes nicht überzeugt fühlen." (ad)
Bild: Claudia Heck / pixelio.de
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