Der durchschnittliche Krankenkassen Zusatzbeitrag steigt laut einer wissenschaftlichen Analyse 2012 auf 21 Euro
11.03.2011
Laut einer Auswertung der Universität Köln, könnte der Zusatzbeitag der gesetzlichen Krankenkassen schon im kommenden Jahr 2012 flächendeckend 21 Euro betragen. Bereits zum Ende diesen Jahres soll der durchschnittliche Zusatzbeitag bei neun Euro liegen. Das Bundesgesundheitsministerium widerspricht den wissenschaftlichen Berechnungen. Schließlich sei der SPD Gesundheitsexperte Karl Lauterbach Leiter des Instituts.
21 Euro Zusatzbeitrag bereits im Jahre 2012
Rund 50 Millionen Menschen sind Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Laut einer Analyse des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Uni Köln, könnte der durchschnittliche Zusatzbeitag bereits im Jahre 2012 etwa 21 Euro für betragen. Das gelte nicht nur für einzelne Kassen, sondern im Durchschnitt berechnet für alle Beitragszahler. Für das Jahr 2013 geht das wissenschaftliche Institut sogar von einem zusätzlichen Beitrag von 33 Euro aus. Und zum Ende des Jahrzehnts (2019) müsse jedes Kassenmitglied bereits eine Pauschale rund 120 Euro je Monat zusätzlich zu den regulären Beiträgen für die Gesundheitsversorgung ausgeben. Die Unsicherheiten bei der Abschätzung können für den einzelnen Bürger erhebliche Einkommenseinbußen bedeuten, so die Warnung der Forscher. Wird das Defizit der Krankenkassen beispielsweise um 5 Milliarden Euro unterschätzt, ergibt sich für den Bezieher eines Einkommens von 800 Euro bereits eine Einkommenseinbuße von einem Prozent. "Festsetzungen des Zusatzbeitrags durch die Regierung können zukünftig für den einzelnen somit weitaus gravierendere finanzielle Folgen haben als Tarifabschlüsse" auf dem Arbeitsmarkt.
Bundesregierung widerspricht den Auswertungen
Das Bundesgesundheitsministerium beschwichtigte und verwies auf die Tatsache, dass der SPD Gesundheitspolitiker Dr. med. Karl Lauterbach dem Institut in leitender Position angehört. Daher entstehe der Verdacht, so das Ministerium, die Berechnungen des Instituts seien „politisch eingefärbt“. In einer Stellungnahme verwies man darauf, dass die Berechnungen „unseriös“ und „nicht haltbar“ seien. Schließlich sei die finanzielle Lage des Gesundheitsfonds ausgeglichen und damit eine Stabilität des Gesundheitssystems gewährleistet. Unbestritten ist aber, dass die Gesundheitsausgaben in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen werden. Nicht umsonst hatte die Bundesregierung im Zuge der Gesundheitsreform die Deckelung der Zusatzbeitragshöhe abgeschafft. Denn die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds werden im Verhältnis zu den Ausgaben immer geringer und die Kassen müssen zukünftig einen Finanzausgleich mittels Zusatzbeiträge bewerkstelligen.
Keineswegs widerspricht man daher der Darstellung, die Zusatzbeiträge würden zukünftig steigen. Allerdings hält Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) an eigenen Prognosen fest. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag steige im kommenden Jahr (2012) auf rund 10 Euro und zwei Jahre später, (2014) auf 16 Euro. Die Berechnungen der Universität Köln seien daher „haltlos und entbehren jeglicher Grundlage“. Vielmehr vermutet man hinter der Veröffentlichung der Zahlen eine politisch motivierte Taktik, um „die Versicherten zu verunsichern“ und für eigene Inhalte zu werben. Lauterbach gehört zu den größten Kritikern der schwarz-gelben Gesundheitsreform.
SPD kritisierte Zusatzbeitrag als „kleine Kopfpauschale“
Die SPD hält dagegen, denn die weiter steigenden Belastungen für Arbeitnehmer werden durch die Bundesregierung produziert. „Schwarz-Gelb hat wohl weißlich die kleine Kopfpauschale eingeführt“, um die Gesundheitskosten unabhängig vom Einkommen auf die Bürger abzuwälzen. Der bereit gestellte Sozialausgleich greife nur, wenn der durchschnittliche Pauschalbetrag die Grenze von zwei Prozent des Bruttoeinkommens überschritten hat. Daher mache man sich für das Konzept der „Bürgerversicherung“ stark, die „sich an den Prinzipien der Solidarität und der individuellen Leistungsfähigkeit der Versicherten“ orientiert. In den kommenden Wochen wolle die Partei ein eigenes Konzept vorstellen und für eine „gerechtere Gesundheitspolitik“ werben.
Horrender Anstieg der Zusatzbeitragslast
Bereits im Oktober letzten Jahres hatte das Institut für Gesundheitsökonomie im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zu der selben Thematik eine Auswertung vorgenommen. Damals berechneten die Ökonomen den Zusatzbeitag anhand zwei unterschiedlicher Szenarien. Würden die Ausgaben der Kassen nur um zwei Prozent mehr steigen als die Beitragseinnahmen, so sei bereits im Jahre 2025 ein Zusatzbeitag von 97 Euro fällig. Auf die Beitragszahler käme dann eine jährliche Zusatzbelastung von 1164 Euro zu. In diesem Moment hätte dann jeder Arbeitnehmer, der weniger als 4827 Euro brutto im Monat verdient, einen Anspruch auf einen Sozialausgleich.
Deckungslücke von 2,3 Milliarden Euro
Andere Gesundheitsökonomen wie Jürgen Wasem, Professor für Medizinmanagement an der Uni Duisburg-Essen, kamen zu milderen Prognosen. Der Experte geht von einer perspektivischen Deckungslücke von rund 2,3 Milliarden Euro für das kommende Jahr aus. Nach seinen Berechnungen müsste demnach der Zusatzbeitrag im Jahre 2012 auf durchschnittliche 3,70 Euro steigen. Im darauffolgenden Jahr (2013) müsste der Pauschalbetrag bereits auf rund 10 Euro angehoben werden. In nur neun Jahren (2020) müssten Kassenmitglieder bereits 120 Euro pro Monat aufbringen. Allerdings, so schränkt der Experte ein, könne man immer nur von den aktuellen Rahmenbedingungen ausgehen. So fließe der aktuelle Beitragssatz, die Ausgaben im Gesundheitssystem sowie die bereit gestellten Steuermittel mit in die Bewertung ein. Unterschiedliche Ergebnisse kommen dann zustande, wenn die Analysen auf unterschiedlichen Geschäftsprognosen der Krankenkassen basieren.
Zusatzbeitrag animiert Wechselbereitschaft
Auch bei den Krankenkassen sind die Zusatzbeiträge unbeliebt. Derzeit erheben gerade einmal 13 Krankenkassen einen Zusatzbeitrag. Die Versicherten quittieren in großer Anzahl die Einführung mit dem Recht zur Sonderkündigung und wechselten die Kasse. Im letzten Jahr haben etwa rund eine halbe Millionen Menschen ihrer Kasse den Rücken gekehrt. Insgesamt acht Millionen Versicherte sind momentan von Zusatzbeiträgen betroffen. Eine Wirtschaftsanalyse des Unternehmensberatung „Steria Mummert Consulting“ hatte zudem darauf hingewiesen, dass der derzeitige Verwaltungsaufwand zur Eintreibung der Pauschbeträge zu hoch sei, um einen wirtschaftlichen Nutzen hieraus zu ziehen. Säumige Zahler verursachen sogar ein sattes Defizit, so das Beratungsunternehmen. Gleichzeitig haben die Kassen angekündigt, im Notfall den Zusatzbeitrag auch vom Einkommen zu pfänden. Zudem werden hohe Mahngebühren erhoben, um ein deutliches Warnsignal zu setzen.
AOK fordert mehr Leistungen
Wenn schon die Beiträge steigen, dann sollen die Menschen auch mehr Wahlleistungen haben, so die Forderung der Allgemeinen Ortskrankenkasse AOK Rheinland-Hamburg. „Wenn die Versicherten schon mehr zahlen müssen, dann wollen sie auch eine Gegenleistung“, sagte der Vorstandsvorsitzende Wilfried Jacobs. Krankenkassenmitglieder müssen sich so oder so auf steigende Kosten für die Gesundheitsversorgung einstellen. Der demografische Wandel, höhere Ausgaben für Arzneimittel und medizinische Innovationen sind hauptsächlich für den Beitragsanstieg in Form von Zusatzbeiträgen verantwortlich. (sb)
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Bild: Andreas Morlok / pixelio.de
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