Neurologische Störungen als Symptome einer EHEC-Infektion
08.06.2011
Die derzeitige EHEC-Epidemie sorgt in der Bevölkerung weiterhin für Verunsicherung. Zwar sind die meisten Deutschen gegenüber möglichen EHEC-Symptomen wie wässrigen, blutigen Durchfallerkrankungen und möglichem Nierenversagen mittlerweile erheblich sensibilisiert, doch die drohenden neurologischen Folgeschäden sind vielen bis heute unbekannt. Daher warnen Experten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vor den möglichen neurologischer Symptome einer EHEC-Infektion.
Experten warnen vor schweren durch EHEC bedingten neurologischen Schäden. Während der Fokus in der öffentlichen Wahrnehmung bei der aktuellen Infektionswelle eher auf EHEC-Symptome wie die blutigen Durchfallerkrankungen und lebensbedrohliches Nierenversagen fällt, sind bei Erkrankungen durch den neuen besonders aggressiven EHEC-Erregerstamm HUSEC 041 die möglichen neurologischen Schäden eine nicht zu unterschätzende Gefahr, betonte Prof. Dr. Joachim Röther, Chef der Neurologie in der Asklepios Klinik in Hamburg-Altona in einer Presseerklärung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
EHEC verursacht epileptische Anfälle und Bewusstseinsstörungen
Eine EHEC-Infektion kann neben den bereits hinlänglich diskutierten EHEC-Symptomen, wie Durchfallerkrankungen und Nierenleiden, erhebliche neurologische Schäden bedingen, erklärten die Experten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Prof. Dr. Röther zufolge zeigt „etwa die Hälfte aller Patienten mit HUS ernste neurologische Verläufe“. Dabei werden durch die EHEC-Infektionen laut Dr. Röther „drei neurologische Ausfallmuster“ bedingt: „epileptische Anfälle durch eine Schädigung der Großhirnrinde, Hirnstammsymptome wie Störungen der Motorik“ und Störungen „des Bewusstseins mit Doppelbild-Sehen oder TIA-Störungen (red. Transitorische Ischämische Attacken), also vorübergehende Schlaganfallsymptome.“ Verantwortlich für das Auftreten der neurologischen Störungen ist laut Aussage der Experten wahrscheinlich das sogenannte Shiga-Toxin, welches von den EHEC-Erregern freigesetzt wird.
Schwere neurologische Störungen durch EHEC-Infektion
Vor allem Patienten bei denen die EHEC-Infektion einen besonders schweren Verlauf nimmt, sind der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zufolge durch gravierende neurologischen Symptomen und Folgeschäden gefährdet. So leiden laut Dr. Röther die meisten Patienten, die in Folge einer EHEC-Infektion an dem Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS) erkrankt sind ebenfalls an erheblichen neurologischen Beeinträchtigungen. In der neurologischen Abteilung der Asklepios Klinik in Hamburg-Altona werden daher im Moment 16 EHEC-Patienten neurologisch-intensivmedizinisch behandelt, betonte der Experte. Obwohl es laut Dr. Röther „Tatsache ist, dass die Hälfte der HUS-Patienten neurologische Ausfälle zeigen“, was einem weit größerer Anteil als bei früheren EHEC-Ausbrüchen entspricht, zeigte sich der Experte „optimistisch, dass die meisten der Betroffenen auch ihre Probleme wie Verwirrtheit, Sprach- und Bewegungsstörungen überwinden.“ Insgesamt ist der Krankheitsverlauf jedoch von Patient zu Patient äußerst unterschiedlich und „sogar der typische Ablauf der Erkrankung – zwei, drei Tage nach dem Durchfall treten HUS-Symptome auf, zwei bis drei Tage später kommen neurologische Ausfälle hinzu -“ treffe bei einigen Patienten nicht zu, erläuterte der Fachmann. Teilweise hätten die Nervenzellen der Patienten „ohne jedes HUS-Symptom“ gestreikt, so Dr. Röther weiter.
Neurologen frühzeitig in die Behandlung der EHEC-Patienten einbinden
Besonders besorgniserregend ist nach Einschätzung der Experten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, dass sich der neurologische Zustand der EHEC-Patienten oftmals trotz frühzeitiger Plasmapherese-Behandlung (Blutwäsche) nicht verbessert, sondern stattdessen teilweise weiter verschlechtert hat. Daher forderte Prof. Dr. Röther gemeinsam mit dem Leiter der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätskrankenhauses in Hamburg-Eppendorf (UKE), Prof. Dr. Christian Gerloff, in einer Presseerklärung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, dass Neurologen frühzeitige bei der Behandlung von EHEC-Patienten mit eingebunden werden. Die frühzeitige Beteiligung sei besonders wichtig, da bei den betreuten Patienten neurologische Störungen „nicht zwingend am Ende einer eskalierenden Krankheitssequenz auftreten“, sondern „sich bereits gleichzeitig mit gastroenterologischen und nephrologischen Symptomen entwickeln“ können, erklärte Prof. Dr. Christian Gerloff.
Behandlung der EHEC bedingten neurologischen Störungen
Bei der Behandlung der durch EHEC bedingten neurologischen Störungen kommt neben den bestehenden Medikamenten gegen Schlaganfälle und Epilepsie auch der neue Wirkstoff Eculizumab zum Einsatz, der den besonders gefährlichen Abbau der Blutkörperchen stoppen soll. Zwar sind auf Basis der Eculizumab-Therapie keine Wunder zu erwarten, doch „wir beobachten eine leichte Besserung im Zustand der damit behandelten Patienten“, erklärte Dr. Röther. Nach Aussage des Experten ist es eventuell „einfach noch zu früh, um die volle Wirkung zu sehen.“ Insgesamt sollten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zufolge die Schwere der EHEC-Symptome und das Auftreten der neurologischen Defizite die Grundlage für eine Entscheidung zum Einsatz des neuen Wirkstoffs Eculizumab bilden. Begleitend ist den Experten zufolge immer eine präventive Anti-Krampf-Therapie in Erwägung zu ziehen, sobald erste neurologische Störungen auftreten. Durch die Anti-Krampf-Therapie könne den epileptischen Anfällen vorgebeugt werden, die bei mehr als 65 Prozent der EHEC-Patienten mit HUS-Erkrankung einsetzen und unter Umständen ein künstliches Koma erforderlich machen können, erläuterten Dr. Röther und Dr. Gerloff. Die Experten kommen zu dem Schluss, dass durch die rechtzeitige Hinzuziehung eines Neurologen „mögliche Dauerschäden im Nervensystem“ bei einer EHEC-Infektion weitgehend verhindert werden können. (fp)
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