Bei welchen Schmerzen Patienten dringend zum Arzt müssen
14.03.2014
Herzinfarkt, Schlaganfall und bösartige Tumoren sind häufig mit Schmerzen verbunden. Deshalb sollten Betroffene die Alarmsignale ihres Körpers ernst nehmen und einen Arzt konsultieren. Denn nicht immer sind Bauch-, Rücken oder Kopfschmerzen harmlos. Darauf weist Hartmut Göbel, Chefarzt an der Schmerzklinik Kiel und Facharzt für Neurologie und Schmerztherapie, im Gespräch mit dem Magazin „Fokus“ hin.
Schmerz als Alarmsignal für ernsthafte Erkrankungen wie Krebs
Schmerz ist immer ein Warnsignal des Körpers, das infolge eines Reizes – beispielsweise ein dumpfer Schlag oder ein Schnitt mit dem Messer – auftritt. Das Schmerzgefühl wird dabei durch bestimmte körpereigne Substanzen erzeugt, die über die Nerven weitergeleitet werden. Endorphine fungieren quasi als Gegenspieler, um den Schmerz erträglich zu machen. Sie wirken beruhigend und angstmildernd.
Den meisten Beschwerden liegen harmlose Ursachen zugrunde. So können Rückenschmerzen infolge von zu schwerem Heben oder Fehlhaltungen auftreten. Meist verschwinden sie nach wenigen Tagen. Auch Bauchschmerzen nach einer zu üppigen Mahlzeit kennt fast jeder. Sie sind nicht besorgniserregend. Treten die Beschwerden jedoch plötzlich und sehr heftig auf, ist Vorsicht geboten. So können starke, Akute Bauchschmerzen ein Alarmsignal für ein krankes Organ sein. Blinddarmreizung oder -entzündung, Gallensteine, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Nierensteine, Nierenbeckenentzündung und viele weitere Erkrankungen, die dringend eine Behandlung erfordern, können dahinter stecken. Im schlimmsten Fall sind die Schmerzen auf einen bösartigen Tumor zurückzuführen. Vor allem bei Bauchkrämpfen sollten Betroffene schnell handeln, denn es könnte ein Blinddarmdurchbruch drohen, der unbehandelt tödlich enden kann. Treten die Beschwerden im oberen Bereich des Bauches auf, kommt auch ein Magengeschwür oder eine entzündete Speiseröhre als Ursache der Schmerzreaktion in Frage.
Alarmsignal Rückenschmerzen
Rückenschmerzen kennt fast jeder. Treten sie jedoch sehr plötzlich ohne vorhergehendes ursächliches ursächliches Ereignis auf, sollte ebenfalls schnell ein Arzt konsultiert werden. So kommen in diesem Fall ein Aneurysma sowie Herz- oder Lungenprobleme als Diagnose in Frage. Darüber hinaus können ein Hexenschuss oder ein Bandscheibenvorfall starke Schmerzen verursachen. Nierenschmerzen treten vor allem an der Flanke auf, können aber auch in Rücken und Bauch ausstrahlen. Zeigen sich diese zusammen mit Übelkeit und Erbrechen, liegt die Vermutung nahe, dass Nierensteine die Beschwerden verursachen. Betreffen die Probleme dagegen die Rückenpartie zwischen den Schulterblättern, könnte dies auf eine Gelenkentzündung (Arthritis) hindeuten. Aber auch Herzinfarkt, Magen- oder Unterleibsbeschwerden gehen in einigen Fällen mit Schmerzen in diesem Bereich einher. Im schlimmsten Fall droht eine lebensgefährlichen Aortendissektion (Riss der inneren Wand der Hauptschlagader).
Schmerzen in den Beinen, die nicht auf eine Überbelastung zurückzuführen sind, könnten durch eine Thrombose beziehungsweise Venenthrombose verursacht werden. Sicherheitshalber sollte bei andauernden oder plötzlich auftretenden Beinschmerz ein Arzt zu Rate gezogen werden. Brennen die Füße, könnten die Probleme auf Diabetes hinweisen. Weitere mögliche Ursachen für Fußbeschwerden sind unter anderem Gicht, Beinvenenthrombose oder nicht-diabetische Durchblutungsstörungen.
Brustschmerzen können auf Herzinfarkt hinweisen
Wenn ein plötzlicher starker Schmerz in der Brust auftritt, der in Hals, Nacken, Kiefer, Schulterblätter, die Arme oder den Oberbauch ausstrahlen kann, sollte umgehend ein Arzt verständigt werden. Diese Symptome können auf einen Herzinfarkt hinweisen, der schnellst möglich medizinisch behandelt werden muss. Etwa ein Viertel der rund 200.000 Menschen, die jährlich in Deutschland einen Herzinfarkt erleiden, stirbt. Brustschmerzen in Verbindung mit Kurzatmigkeit können zudem auf eine Lungenembolie oder Beschwerden der Verdauungsorgane hinweisen. Häufig strahlen auch Kreuzschmerzen in die Brust aus.
Heftige Kopfschmerzen können ebenfalls ein Warnsignal für eine ernsthafte Erkrankung sein. Treten die Beschwerden plötzlich und sehr stark auf, könnten sie einen Schlaganfall ankündigen. Klagt der Betroffene zudem über grippeähnliche Symptome, kann es sich auch um eine Gehirnhautentzündung handeln. Mirgräne, Clusterkopfschmerzen oder eine Trigeminusneuralgie kommen ebenfalls als Ursachen starker Kopfschmerzen in Frage.
Neuralgien (Nervenschmerzen) können verschiedene Gewebe betreffen und dort starke Beschwerden durch eine Nervenschädigung verursachen. So entstehen Schädigung am Nerven beispielsweise durch Gürtelrose. Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (Complex Regional Pain Syndrome, CRPS) kann ebenfalls mit Nervenschmerzen einhergehen.
Geschlechtsspezifische Unterschiede im Umgang mit dem Alarmsignal Schmerz
Beim Umgang mit Schmerzen gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. „Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass es Männern peinlich ist, Schmerzen zu zeigen“, erläutert Göbel. Das weibliche Geschlecht geht dagegen viel offener mit Beschwerden um. „Frauen konzentrieren sich mehr auf emotionale und interpersonale Aspekte von Schmerzen. Männer verfolgen im Gegensatz dazu problemlösende und instrumentelle Strategien.“ Dadurch erhalten Frauen häufig schneller eine Behandlung. „Frauen steht eine größere Palette von Möglichkeiten zur Verfügung, um Schmerzen zu bewältigen als Männern. Sie lassen sich eher helfen, suchen eine umfangreichere soziale Unterstützung, nehmen eher Medikamente ein und gehen früher zum Arzt.“ Männer würden dagegen dazu neigen, das Problem selbst lösen zu wollen. „Die Folge können dabei eine schnellere Chronifizierung, vergebliche Warnung vor möglichen Schäden und Überlastung sein“, warnt der Experte. Entgegen der landläufigen Meinung würden „Frauen nahezu doppelt so empfindlich auf Schmerzreize reagieren wie Männer.“ (ag)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.