Hormone sind schuld: Frauen haben trotz gesünderem Lebensstil schlechtere Zähne
25.08.2014
Obwohl Frauen grundsätzlich gesünder leben, sich sorgfältiger die Zähne putzen und öfter zum Zahnarzt gehen, haben sie dennoch ein schlechteres Gebiss als Männer. Einen Grund dafür sehen Wissenschaftler im Hormonhaushalt, auch eine Schwangerschaft hat Folgen.
Männer in der Mundhygiene nachlässiger
Als Maria B. morgens in den Spiegel schaute, war sie an die alte Volksweisheit „Jedes Kind kostet die Mutter einen Zahn“ erinnert worden. Früher hatte die 32-Jährige mit ihrem Gebiss wenig Beschwerden, doch nachdem sie zwei Kinder geboren hatte, häuften sich ihre Zahnarztbesuche. Nun soll eine neue Krone eingesetzt werden. Für viele Frauen sind Zähne ein Dauerthema. Und obwohl Männer in ihrer Mundhygiene nachlässiger sind und seltener zum Zahnarzt gehen, haben Frauen in Deutschland in allen Altersgruppen im Durchschnitt weniger Zähne als Männer, wie Untersuchungen zeigen.
Frauen leben gesünder und länger
Beim Gesundheitsverhalten gibt es grundsätzlich große Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Bereits als Babys sind Frauen seltener krank, leiden in der Kindheit seltener an chronischen Krankheiten und ruinieren als Erwachsene ihre Gesundheit seltener durch Stress und Unvernunft. Männer rauchen zudem häufiger und trinken sowohl öfter sowie mehr Alkohol als Frauen und sind darüber hinaus öfter übergewichtig und haben ein höheres Adipositas-Risiko. Männer verfügen über ein höheres Herz-Kreislauf Erkrankungsrisiko, erleiden häufiger eine Herzinfarkt, gehen im Schnitt seltener zum Arzt und nehmen Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention seltener wahr als Frauen. Im Schnitt leben Frauen deshalb fünf Jahre länger als Männer.
Weibliche Biologie ist verantwortlich
Doch die Zähne von Frauen sind offenbar anfälliger als die der Männer. Dafür ist jedoch nicht ihr Lebenswandel, sondern die weibliche Biologie verantwortlich, wie Studien gezeigt haben. Mediziner sind mittlerweile vom „kleinen Unterschied“ überzeugt. So werden unterschiedliche geschlechtstypische Beschwerden, abweichendes Ansprechen auf Therapien und der differierende Bedarf an Medikamenten immer häufiger thematisiert und auch in der Forschung berücksichtigt. Frauen und Männer zeigen bei zahlreichen Erkrankungen verschiedene Symptome, reagieren auf Therapien anders und weisen oft andere Risikofaktoren für die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten auf.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Zahnheilkunde
Und obwohl es auch in der Zahnheilkunde geschlechtsspezifische Unterschiede gibt, wurde dies bislang häufig vernachlässigt, wie die Zahnärztin Christiane Gleissner aus Friedberg bedauert. Die Forscherin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universitätszahnklinik Mainz und Präsidentin der 2011 gegründeten Deutschen Gesellschaft für geschlechterspezifische Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGGZ). Im „Bundesgesundheitsblatt“ hat Gleissner die geschlechtsspezifischen Daten über die Mundgesundheit zusammengetragen. Sie hat 48 internationale Studien aus den vergangenen 30 Jahren ausgewertet, die deutliche Geschlechtsunterschiede in allen Altersklassen und Lebensphasen dokumentieren.
Frauen haben im Durchschnitt weniger Zähne
Männer sind demnach nachlässiger in der Mundhygiene, gehen seltener zum Zahnarzt und haben mehr Plaque auf ihren Zähnen und leiden deshalb häufiger an entzündlichen Zahnfleischerkrankungen als Frauen. Im vergangen Jahr hatte zudem eine Umfrage im Auftrag der „Apotheken Umschau“ gezeigt, dass etwa ein Drittel der Männer erst zum Zahnarzt gehen, wenn sich bereits Zahnschmerzen eingestellt haben. Nichtsdestotrotz haben Frauen in Deutschland in allen Altersgruppen durchschnittlich weniger Zähne als Männer, wobei es bereits bei 20-jährigen Frauen im Durchschnitt ein Zahn weniger ist. Auch aus anderen europäischen Ländern, den USA sowie Entwicklungsländern werden ähnliche Unterschiede berichtet. Das Problem zeigt sich bereits im Kindesalter. Zwar leiden kleine Jungs und Mädchen gleich häufig an Zahnfäule (Karies), doch mit 15 Jahren haben Teenagerinnen bereits deutlich häufiger Karies als Teenager. Ein Trend, der sich im Erwachsenenalter fortsetzt.
Diskrepanz durch unterschiedliche Mundhygiene nicht erklärbar
Doch Bohren reicht oft nicht, Frauenzähne müssen auch häufiger gezogen werden als Männerzähne. „Bereits Frauen in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen haben im Durchschnitt weniger Zähne als Männer“, sagte Gleissner gegenüber „Die Welt“. Und weiter: „65- bis 74-jährige Frauen sind deutlich öfter zahnlos als Männer.“ Der Mittelwert der fehlenden Zähne bei Männern in diesem Alter liegt bei 13,3, bei Frauen bei 15,0. Eine Diskrepanz, die durch Unterschiede in der Mundhygiene nicht erklärt werden könne. Ein Grund für die stärkere Anfälligkeit der Zähne bei Frauen dürfte im Hormonhaushalt liegen, da durch ihre schnellere Reifung der Zahnwechsel von den Milchzähnen zu den bleibenden Zähnen und der Durchbruch der Backenzähne bei Mädchen früher einsetzen als bei Jungen. Deshalb sind Frauenzähne länger einem möglicherweise Karies verursachenden Milieu im Mund ausgesetzt.
Hormonelle Schwankungen während Schwangerschaft
Über die Hormonrezeptoren Östrogen und Progesteron, die sich im Zahnfleisch befinden, besteht eine Wechselbeziehung zwischen dem Hormonspiegel und dem Zahnfleisch. Deshalb können hormonelle Schwankungen direkt die Zahn- und Mundgesundheit beeinflussen. Solche Schwankungen spielen beispielsweise während der Schwangerschaft eine wichtige Rolle. In dieser Zeit führt die hormonelle Umstellung zu einer Lockerung des Bindegewebes, was in Folge zu einer oberflächlichen Zahnfleischentzündung und zu Zahnfleischbluten führen kann. „Bei einer vor der Schwangerschaft bereits bestehenden Entzündung des Zahnhalteapparats kann es im Zuge der hormonellen Veränderungen zu einer Verschlechterung im Sinne eines Knochenabbaus kommen“, so Gleissner. Darüber hinaus könne das häufige Erbrechen während der Schwangerschaft den Zahnschmelz schädigen, was das Risiko für Karies erhöht.
Studie bestätigt alte Volksweisheit
Die Verschlechterung von Maria B.`s Zähnen nach der Geburt ihrer Kinder war also hormonell bedingt. Auch eine Studie der Yale-Universität in New Haven, in der Forscher um Stefanie L. Russell die Gesundheits- und Ernährungsdaten von 2.635 Müttern ausgewertet haben, zeigte bereits 2008, dass die alte Volksweisheit recht hat. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass mit jeder Schwangerschaft die Wahrscheinlichkeit steigt, dass einer Frau ein Zahn oder mehrere Zähne fehlen. Unabhängig von Kriterien wie Zahnpflege, psychosozialen Faktoren oder der Häufigkeit von Zahnarztbesuchen, war grob gerechnet pro Geburt ein Zahn weniger vorhanden.
Zahngesundheit während der Wechseljahre
Die Zahn- und Mundgesundheit von Frauen wird zudem durch die hormonellen Schwankungen während der Wechseljahre in Mitleidenschaft gezogen. Durch die Hormonumstellung werden oberflächliche Zahnfleischentzündungen häufiger. Wenn es infolgedessen zu Zahnfleischbluten kommt, putzen viele Patientinnen ihre Zähne weniger gründlich. Dadurch bilden sich Zahnbeläge und das Zahnfleisch reagiert mit weiteren Entzündungen. Zudem bereitet der Östrogenmangel nach der Menopause den Zähnen Probleme. Frauen, die eine Hormonersatztherapie erhalten, haben durchschnittlich mehr Zähne. Doch nach dem Absetzen der Hormone geht es den Zähnen schlechter. So werden die Schleimhäute trocken und es kann zu Mundbrennen kommen. Hormonbedingter Knochenabbau kann sich auf den Kiefer auswirken, auch so droht Zahnverlust. „Außerdem ist bekannt, dass Frauen ohnehin in jedem Lebensalter weniger Speichel als Männer bilden“, so Zahnmedizinerin Gleissner. (ad)
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