Brustkrebs-Behandlung: wichtige Nachsorge
29.09.2014
Die Heilungschance bei Brustkrebs haben sich in den vergangenen Jahren ständig verbessert und liegen Experten zufolge heute bei rund 90 Prozent. Doch viele geheilte Patientinnen leiden nach einer Behandlung trotzdem an massiven Beschwerden und Nebenwirkungen. Eine bessere Nachsorge könnte die Probleme mindern.
Jahrelange Folgen nach der Behandlung
Auch zwei Jahre nach der erfolgreichen Behandlung ihrer Brustkrebserkrankung leidet die 62-jährige Erika B. noch immer an den Folgen. „Seit damals bin ich oft erschöpft, mache mir ständig Sorgen und kann die Nächte vor einer ärztlichen Untersuchung kaum schlafen“, sagte die Hamburgerin. Sie ist mit ihren Problemen nicht allein: Frauen, die nach einer Brustkrebs-Behandlung medizinisch als geheilt gelten, haben trotz allem häufig an Schmerzen, Erschöpfungszuständen oder psychischen Problemen zu leiden.
Eine Studie, die vor kurzem im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen um mehr als das Doppelte steigen, wenn Frauen an Brustkrebs erkranken. Darüber berichtet nun „Spiegel Online“ in einem aktuellen Beitrag. Für die Untersuchung hatten Wissenschaftler um Stefan Feiten vom Koblenzer Institut für Versorgungsforschung in der Onkologie die Antworten von 734 Ex-Patientinnen im Alter zwischen 30 und 91 Jahren ausgewertet, bei denen die Erstdiagnose im Schnitt über drei Jahre zurücklag. Vor der Krebsdiagnose suchten demnach neun Prozent der Befragten einen Psychologen auf, danach jedoch 19 Prozent.
Manche Patientinnen werden übertherapiert
Für viele Ärzte ist eine Krebserkrankung nach der Behandlung und anschließender Reha meist erledigt. Sowohl Spätfolgen als auch unnötige Belastungen spielen eine untergeordnete Rolle. So arbeitet die moderne Medizin dem Artikel zufolge bei der Therapie von Brustkrebs weitgehend mit standardisierten Leitlinien. Dadurch werde zwar die Qualität insgesamt verbessert, doch es führt auch häufiger dazu, dass Patientinnen übertherapiert werden, da die Behandlung individuell zu wenig angepasst ist. Wie die „Ärzteblatt“- Studie zudem feststellt, entscheiden sich Betroffene selbst dann für eine Chemotherapie, wenn der rechnerische Überlebensvorteil nur einen Tag oder 0,1 Prozent ausmacht.
Abbruch der Therapie wegen Nebenwirkungen
Hauptsächlich jüngere Frauen leiden unter ihrem Schicksal. So kommt es bei manchen Patientinnen, je nach Krebsart und Therapien, zu Hitzewallungen oder früher einsetzenden Wechseljahren. Zudem zählen zu häufigen Nebenwirkungen, die infolge einer Krebsbehandlung festgestellt werden können, Neutropenie (Blutbildveränderung), Übelkeit und Erbrechen, Blutarmut, Neuropathie (Nervenstörungen), Schleimhautentzündung, Appetitlosigkeit, Durchfall, Haarausfall, Müdigkeit und Erschöpfung, Magenprobleme sowie chronische Organschäden. Eine kürzlich vorgestellte britische Studie kam zu dem Ergebnis, dass viele Patienten aufgrund solcher Nebenwirkungen ihre Therapie zu früh abbrechen.
Brustamputation macht Betroffenen schwer zu schaffen
Ein weiteres gravierendes Problem ist, wenn die Brust abgenommen werden musste. Viele Frauen fühlen sich dann weniger attraktiv. Viele Betroffene sind zudem weniger leistungsfähig. Von der Befragten der „Ärzteblatt“-Studie hatten über ein Drittel (34 Prozent) Schmerzen, bei 17 Prozent schwoll die operierte Seite nach wie vor an und 35 Prozent der Frauen konnten Arm und Schulter nicht mehr wie vorher einsetzen. Vor allem die körperlich Arbeitenden mussten erleben, am Arbeitsplatz benachteiligt zu werden. Insgesamt fühlten sich demnach 16 Prozent zurückgesetzt.
Auswirkungen auf die Beziehung
Von den Befragten klagten zudem rund zwei Prozent über Gedächtnis-, Konzentrations- und Wortfindungsstörungen, ausgelöst durch die Chemotherapie. Allerdings könne dies durch neuropsychologische Tests oft nicht bestätigt werden. Im Vergleich mit einer gesunden Vergleichsgruppe fielen bei den Krebspatientinnen auch die Werte bei Depressionen, Ängsten und Erschöpfungszuständen höher aus. Beziehungen leiden der Studie zufolge durch den Brustkrebs nicht zwangsläufig. So sahen 75 Prozent der Befragten keine Veränderung, in zwölf Prozent der Fälle seien die Paare sogar enger zusammengerückt. Allerdings hatten auch zwölf Prozent angegeben, dass sich die Partnerschaft verschlechtert habe. Wie die Autoren schreiben, berichteten junge Frauen am häufigsten über Veränderungen in der Beziehung. Dies könne laut Feiten damit zu tun haben, dass jüngere Frauen mitten im Leben stünden und stärker zu Hause und im Beruf gefordert seien. Daher seien die Einschränkungen für sie umso spürbarer und „teilweise schwerwiegend“.
Bessere Finanzierung gefordert
Eines der größten Defizite sieht der Psychoonkologe Thomas Schopperth, der seit 1986 Krebspatientinnen und deren Angehörige betreut, in der fehlenden Finanzierung der Beratungsstellen. „Bundesweit fehlen in vielen Regionen qualitätsgesicherte Krebsberatungsstellen und viele der bestehenden sind in ihrer Existenz bedroht“, warnte der Geschäftsführer der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz und Bundesvorsitzende der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Psychosoziale Onkologie (dapo) dem „Spiegel“ zufolge. „Wir brauchen endlich eine Finanzierung durch Länder, Kommunen, Rentenversicherungsträger und Krankenkassen.“ Die Beratungsstellen halten sich derzeit vor allem mit Spenden über Wasser, weil die gesetzlichen Grundlagen fehlen.
Experten müssen wohnortnah zur Verfügung stehen
„Schon während der medizinischen Behandlung sollte möglichst früh verlässlich festgestellt werden, welche Belastungen bei jedem Einzelnen vorliegen und welche Unterstützung die Betroffenen konkret brauchen“, so Schopperth. Dazu müssten die Experten wohnortnah und auf Abruf zur Verfügung stehen. Schopperth erklärte weiter, dass es darum gehe, Betroffenen zu helfen, ihr Leben selbstbestimmt weiterzuführen. Dafür seien die Beratungsstellen auch schon mal als Vermittler bei den Behörden und Verwaltungen gefordert. Wie der Experte weiter mitteilte, müsse man immer öfter materielle Unterstützung auf den Weg bringen, um Existenzen zeitweilig abzusichern, damit Menschen wieder aus eigenen Kräften ihr Leben bestreiten können. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.