Botox als Arzneimittel gegen Migräne? Experten kritisieren die Zulassung aufgrund einer mangelhaften Datenlage.
12.02.2011
Studien hatten ergeben, dass Botox sich als wirksames Mittel gegen Migräneattacken herausstellte. In den USA und Großbritannien wurde Botox, dass eigentlich zur Straffung der Haut verwandt wird, für die Behandlung von Migräne bereits zugelassen. Auch in Deutschland wurde ein entsprechendes Zulassungsverfahren bei der Arzneimittelbehörde beantragt. Doch Experten sehen eine Zulassung kritisch, die Datenauswertung der vorliegenden Studien sei unzureichend, wie es hieß.
Wird das Nervengift Botox zur Behandlung von Migräne Symptomen zukünftig in Deutschland als reguläres Medikament zugelassen? Ein entsprechendes Verfahren läuft derzeit bei der Zulassungsbehörde für Arzneimittel. Das Begehren der Zulassung stützt sich auf verschiedene Untersuchungen, die behaupten, Botox helfe Patienten Attacken besser zu überstehen. So konnte beobachtet werden, dass Injektionen im Kopf und Nacken den Patienten eine Minderung der Beschwerden verschaffte. Zwei „PREEMPT-Studien“ (Phase III Research Evaluating Migraine Prophylaxis Therapy) legten nahe, dass bei Botox- Injektionen die Schmerzen um gut 50 Prozent zurückgingen. Zudem hätten die Probanden weniger konventionelle Kopfschmerztabletten einnehmen müssen, während sie die Botox- Therapie unternahmen. Wird die Botox-Behandlung richtig und spezialisiert angewandt, so sollen die Nebenwirkungen entsprechend gering sein, behaupten die Studienautoren. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde Botox in den USA und in Großbritannien von den Gesundheitsbehörden bereits zugelassen.
Nebenwirkungen und Anstieg der Symptome
Experten äußern allerdings erhebliche Zweifel, ob das Nervengift Botox (Botulinumtoxin) tatsächlich die Beschwerden lindert und sogar das Auftreten einer chronische Migräne mindert. Die Herausgeber des „Drug and Therapeutics Bulletin“ werfen der britischen Arzneimittelbehörde vor, das teure Nervengift zugelassen zu haben, obwohl die vorliegenden Daten und Erkenntnisse bislang noch unzureichend sind. Nach Meinung der Experten würden sich nämlich die Symptome bei jedem zehnten Patienten sogar verschlimmern, wenn sie sich einer solchen Therapie aussetzten. In rund zehn Prozent der Fällen würden zudem Nebenwirkungen wie starker Juckreiz, Steifheit im Nacken, Hautausschläge und Krämpfe auftreten. In seltenen Fällen könnten Patienten sogar einen anaphylaktischer Schock erleiden. Ein solcher Schock kann lebensbedrohlich sein, weil ein Organversagen durch eine Überreaktion des Immunsystems droht.
Die vorliegenden Studien, die zur Zulassung führten, seien nach Angaben der Autoren äußerst mangelhaft. Denn die Mehrheit der Probanden litt nicht an einer chronischen Migräne, sondern an Kopfschmerzen durch eine übermäßige Einnahme von Medikamenten, wie die Autoren schreiben. Nach wissenschaftlichen Maßstäben, die allseits international anerkannt sind, schließe sich damit sogar eine Migräne Diagnose aus. „Wegen dieser Widersprüche und der begrenzten Hinweise für einen Nutzen können wir uns einen Platz von Botulinumtoxin in der Therapie chronischer Migräne nur schwer vorstellen“, kritisieren die Autoren in dem anerkannten Wissenschaftsmagazin.
Auffällig war in der Vergleichsstudie, dass der Placebo-Effekt relativ groß war. Während die Botox-Probanden einen Rückgang der Kopfschmerztage von durchschnittlich 8,8 Tagen erlebten, reduzierten sich die Kopfschmerzen auch bei den Placebo-Injektionen um 6,6 Tage (44 Prozent). Wann die deutschen Behörden über das Zulassungsbegehren entscheiden, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Die Erkenntnisse der englischen Wissenschaftler dürften erhebliche Zweifel bei den deutschen Behörden wecken. (sb)
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Bild: Uta Herbert / pixelio.de
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