Das Gerechtigkeitsempfinden von Kindern beginntr bereits im Alter von 15 Monaten
09.10.2011
Bereits Kleinkinder haben einen Sinn für Verteilungsgerechtigkeit und Fairness. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der University of Washington in Seattle, USA haben in einer Untersuchung an Kindern im Alter von 15 Monaten nachgewiesen, dass diese in Bezug auf die Verteilung von Keksen und Milch bereits über einen ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden verfügen.
Je ausgeprägter der Gerechtigkeitssinn der Kinder war, umso eher tendierten diese auch zu altruistischem (selbstlosem) Handeln und waren bereit ihr Lieblingsspielzeug zu teilen, berichten die Wissenschaftler in dem Fachjournal „PloS ONE“. Mit ihrer Studie hoffen die Forscher neue Ansätze zur Erklärung der menschliche Kooperation als „wichtige treibende Kraft hinter dem evolutionären Erfolg unserer“ Spezies zu eröffnen.
Studie zum Gerechtigkeitsempfinden
Jessica A. Sommerville von der University of Washington und Marco F. H. Schmidt vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie haben im Rahmen der aktuellen Studie das Gerechtigkeitsempfinden und das altruistische Verhalten bei 47 Kleinkinder im Alter von 15 Monaten untersucht. Da die Kleinkinder ihr Empfinden noch nicht mit Worten zum Ausdruck bringen können, nutzten die Forscher bestimmte Verhaltensweisen, um Rückschlüsse auf die Gefühle der Kleinen zu ermöglichen. Babys neigen dazu, Dinge, die ihnen unbekannt sind oder die nicht ihren Erwartungen entsprechen, besonders lange mit den Augen zu fixieren. Dieses Phänomen ermöglichte den Forschern die Reaktion der Kinder nach „Erwartung erfüllt“ und „Verletzung der Erwartung“ zu unterscheiden. Die Wissenschaftler zeigten den Babys Videosequenzen, bei denen eine Person eine Portion Kekse zwischen zwei weiteren Personen aufteilt. Auf dem Schoß ihrer Eltern sitzend, bekamen die Kinder zwei Videos mit unterschiedlicher Aufteilung der Keks zu sehen. Einmal werden die Leckereien gerecht auf die beiden weiteren Personen aufgeteilt, das andere Mal erhält eine Person deutlich mehr als die zweite. Während des Abspielens der Videos, beobachteten die Forscher genau, wie lange die Babys die Szenen mit den Augen fixierten. In einem weiteren Test, wurde das Prozedere mit Videos, die die Verteilung von Milch zwischen zwei Personen darstellten, wiederholt.
Zusammenhang zwischen selbstlosem Handeln und Gerechtigkeitsempfinden
Im Anschluss der Video-Tests verglichen die Forscher die Ergebnisse mit der Bereitschaft der Kleinkinder ihr Lieblingsspielzeug aus der Hand zu geben beziehungsweise zu teilen. Dabei stellten Jessica A. Sommerville und Kollegen fest, dass Kinder, die eher bereit sind ihr Lieblingsspielzeug zu teilen, zum Großteil (92 Prozent) das Video mit der ungerechten Milch- bzw. Keks-Verteilung länger fixierten. Der Forscherin zufolge erwarteten die Kleinen „eine gerechte Verteilung des Essens und waren überrascht, zu sehen, dass eine Person mehr Kekse oder Milch erhielt als die andere“. Bei den Kindern, die eher egoistisch handeln bzw. ihr Lieblingsspielzeug nicht aus der Hand geben wollten, sei genau das Gegenteil zu beobachten gewesen. Sie fixierten mit ihren Augen zu 86 Prozent die faire Essens- bzw. Getränkeverteilung länger. Wie die Forscher in dem Fachjournal „PloS ONE“ schreiben, stellen ihre „Ergebnisse den ersten Beweis dafür dar, dass die Wurzeln eines grundlegenden Sinns für Fairness und Altruismus in der Kindheit zu finden sind, und dass diese sich in einer parallelen und miteinander verwoben Weise entwickeln.“
Die Normen von Fairness und Selbstlosigkeit werden demnach deutlich früher erworben als bisher angenommen. So konnten die Forscher bei den 15 Monate alten Kleinkindern ein Gerechtigkeitsempfinden feststellen, das zuvor erst bei sechs- bis siebenjährigen Kindern nachgewiesen wurde, betonte Studienleiterin Jessica A. Sommerville die Bedeutung ihrer Untersuchungen. Verblüffend sei auch der eindeutige Zusammenhang zwischen der Bereitschaft anderen zu helfen bzw. sein Lieblingsspielzeug zu teilen und dem Sinn für Fairness gewesen, so die Experten weiter. Jessica A. Sommerville zufolge besteht eine klare Verbindung zwischen dem Gerechtigkeitsempfinden und dem Hang zum selbstlosen Handeln.
Wie sich Kleinkinder bereits in einem so frühen Lebensabschnitt einen Sinn für Gerechtigkeit, Fairness und Altruismus aneignen beziehungsweise ob dieser möglicherweise von Natur aus vorgegeben wird, konnten die Forscher im Rahmen ihrer Studien bisher nicht klären. Doch es liege die Vermutung nahe, „dass die Kleinkinder diese Normen auf nonverbale Weise aufnehmen, indem sie beobachten, wie Menschen in ihrer Umgebung miteinander umgehen“, so die Aussage der Studienleiterin Jessica A. Sommerville. In weiteren Studien wollen die Forscher nun untersuchen, inwiefern die Einstellung und das Verhalten der Eltern die Reaktionen der Kinder beeinflusst. (fp)
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