Migräne: Mit Stromimpulsen gegen Kopfschmerzattacken
07.02.2013
Stromimpulse können bei Kopfschmerzattacken wie Migräne und Cluster-Kopfschmerzen offenbar Linderung bewirken. Ein Forscherteam um Jean Schoenen von der belgischen Universität Lüttich hat die Wirkung der Stromimpuls-Therapie bei Migräne-Patienten untersucht und dabei eine durchaus vielversprechende Wirkung dieses neuen Behandlungsverfahrens nachgewiesen. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler im Fachmagazin „Neurology“ veröffentlicht.
Migräne ist eine besondere Form des Kopfschmerzes, die häufig nicht nur mit massiven Schmerzen sondern auch mit sogenannten Aura-Symptomen einhergeht. Betroffene reagieren empfindlich auf Licht und Geräusche, verspüren ein Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Gliedmaßen und leiden unter Schwindel, Sehstörungen, Übelkeit und Erbrechen. Diese Beschwerden können je nach Intensität der Migräne-Attacken in unterschiedlicher Kombination und Ausprägung auftreten. Den Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) zufolge zeigen „weltweit erhobene epidemiologische Daten, dass je nach benutzter Definition minimal 0,2 Prozent bis maximal 1,5 Prozent der Bevölkerung an einer chronischen Migräne leiden.“ Dabei seien Frauen vier Mal häufiger betroffen als Männer. Oft schlucken die Migräne-Patienten zahlreiche Medikamente, um die plagenden Kopfschmerzen einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. Hier könnte die Therapie mit Stromimpulsen eine wertvolle Alternative darstellen, so die Einschätzung der belgischen Wissenschaftler.
Chronische Migräne: 15 Tage im Monat mit Kopfschmerzen
Während der Migräne-Attacken sind die Betroffenen oftmals kaum alltagsfähig. Sie brauchen strikte Ruhe, wobei die Schübe schlimmstenfalls über Tage gehen können. Von chronischer Migräne ist laut Aussage der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft die Rede, wenn Betroffene in drei aufeinanderfolgenden Monaten an mindestens 15 Tagen pro Monat unter Kopfschmerzen leiden und davon mehr als sieben Tagen migräne-artige Kopfschmerzen vorliegen. Parallel müssen ein Medikamentenübergebrauch und andere Ursache der Kopfschmerzen ausgeschlossen sein, erläutert die DMKG. Den Betroffenen könne mit der Stromimpuls-Therapie möglicherweise geholfen werden, so die Einschätzung der belgischen Forscher um Jean Schoenen. In ihrer Studie habe sich die Anzahl der Schmerzattacken durch Stimulierung des Gehirns mit Stromimpulsen maßgeblich reduziert. Worauf diese Effekt beruht, sei bislang jedoch unklar.
Stromimpulse reduzieren die Anzahl der Migräne-Attacken
Im Rahmen ihrer Studie untersuchten die Neurologen der Universität Lüttich die Wirkung der Stromimpuls-Therapie bei 67 Patienten aus fünf verschiedenen belgischen Kliniken, die an mindestens zwei Tagen pro Monat unter Migräne litten. Über einen Zeitraum von drei Monaten wurden den Probanden für zwanzig Minuten am Tag Elektroden auf die Stirn gesetzt, die bei der Hälfte der Versuchsteilnehmer mit Stromimpulsen die Nerven hinter der Stirn stimulierten. Den übrigen Probanden wurde lediglich das Gefühl vermittelt, dass sie Stromimpulse erhalten. Sie dienten als Kontrollgruppe. Laut Angaben der Forscher reduzierte sich die Anzahl der Tage mit Migräne-Attacken in der Versuchsgruppe nach dreimonatiger Behandlung von durchschnittlich 6,9 Tagen im ersten Monat der Behandlung auf durchschnittlich 4,8 Tage nach Abschluss des Versuchszeitraums. In der Kontrollgruppe konnten die Forscher indes keine Reduzierung der Migräne-Häufigkeit feststellen.
Stromimpulse so wirksam wie Migräne-Medikamente und ohne Nebenwirkungen
Die Stimulation durch Stromimpulse „ist so wirksam und sicher wie bestehende vorbeugende Therapien gegen Migräne“, berichten die Wissenschaftler. Die therapeutische Wirkung sei der von präventiven Migräne-Medikamenten und nicht-medikamentösen Antimigräne-Behandlungen zumindest ebenbürtig. Dabei komme die Stromimpuls-Therapie völlig ohne Nebenwirkungen aus. Ob die tägliche 20-minütige Stromimpuls-Stimulation auch bei chronischer Migräne eine Alternative zu Medikamenten ist, müsse jedoch noch erforscht werden. Denn die Probanden litten lediglich zwei Tage im Monat an Migräne und nicht an sieben Tage oder mehr. Darüber hinaus bleibe bislang offen, auf welche Weise die Stromimpulse überhaupt zu einer Vermeidung der Kopfschmerzattacken beitragen. Hier gebe es aus früheren Studien an gesunden Probanden Hinweise darauf, dass die Stimulation der Stirnnerven (Nervus supraorbitalis und Nervus supratrochlearis) beruhigend wirkt, berichten die Forscher. Offenbar werde das Zentrale Nervensystem durch die Stromimpuls-Therapie beeinflusst. Auch in Deutschland werden bereits elektrischen Impulse zur Migräne-Behandlung eingesetzt. Dies erfordert jedoch einen operativen Eingriff, da die Elektroden für die sogenannten „okzipitalen Nervenstimulation“ (ONS) unter die Haut im Nacken eingesetzt werden. Dort sollen sie mit Stromimpulsen die Nerven stimulieren. Eine Auswertung zu den bisherigen Forschungen im Bereich ONS hatte im vergangenen Jahr ergeben, dass auch dieses Verfahren erfolgreich chronischen Kopfschmerzen und Migräne entgegenwirken kann.
Stromimpulse zur Behandlung chronischer Migräne?
Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft kommt zu dem Schluss, dass bei der Therapie chronischer Migräne die Stromimpuls-Therapie durchaus eine bedenkenswerte Alternative ist, zumal bei dem aktuellen Verfahren keine Operation zum Einsetzen der Elektroden erforderlich wird. So sei die Schwelle zur Nutzung geringer, erläuterte DMKG-Präsident Andreas Straube. Allerdings bestehe aufgrund der geringen Datenlage noch eine gewisse Unsicherheit. Bislang habe sich gezeigt, dass „multimodale Therapiekonzepte die besten Erfolgsaussichten haben“, so die Position der DMKG. Dabei gehöre die Behandlung der chronischen Migräne allerdings dringend „in die Hand eines mit dem Krankheitsbild vertrauten Spezialisten.“ (fp)
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