Phosphate verantwortlich für die Entstehung von Alzheimer
16.03.2012
Bestimmte Phosphate verhindern bei Alzheimer-Patienten einen regulären Abbau der sogenannten Plaques im Gehirn und tragen so zur Entstehung der Erkrankung bei, berichten Bonner Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Journal of Biological Chemistry“ (JBC).
Die Forscher hoffen, dass ihre aktuellen Erkenntnissen über zur Entstehung von Alzheimer einerseits die Entwicklung neuer Therapieansätze für Alzheimer-Patienten unterstützen und anderseits bei der Verbesserung der Diagnose helfen können. Im Gehirn von Mäusen haben die Wissenschaftler um den Neurologen Prof. Dr. Jochen Walter von der Universität Bonn nachgewiesen, dass die als Auslöser von Alzheimer geltenden Plaques aus Beta-Amyloid-Peptiden aufgrund des Einflusses bestimmter Phosphate nicht richtig abgebaut werden können. So lagern sich immer mehr Peptide im Gehirn der Betroffenen ab und die Alzheimer-Erkrankung nimmt ihren fatalen Verlauf.
Phosphatgruppe verhindert den ordnungsgemäßen Abbau der Alzheimer-Plaques
Den Forschern der Klinik und Poliklinik für Neurologie sowie des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie der Universität Bonn ist nach eigenen Angaben die Entschlüsselung eines bisher unbekannten Mechanismus bei der Entstehung von Alzheimer gelungen. Sie untersuchten mögliche Gründe für die vermehrte Ablagerung der Plaques im Gehirn von Alzheimer-Patienten und stießen dabei auf eine bestimmte Phosphatgruppe, die einen ordnungsgemäßen Abbau der Beta-Amyloid-Peptiden durch die sogenannten Mikrogliazellen verhindert. Aus früheren Studien war bereits bekannte, dass sich schon „Jahre bevor die ersten Alzheimer-Symptome bemerkbar“ werden „im Gehirn bereits Plaques aus fehlerhaft gefalteten Beta-Amyloid-Peptiden“ bilden, betonte Professor Dr. Jochen Walter. Laut Aussage des Experten beeinträchtigen „diese Ablagerungen die Funktion der Nervenzellen im Gehirn“, was langfristig zur Entstehung von Alzheimer führe.
Funktion der Mikrogliazellen bei Alzheimer-Patienten durch Phosphate gestört
Um die vermehrte Ablagerung der Peptide im Gehirn von Alzheimer-Patienten zu erklären, haben die Forscher im Rahmen ihrer aktuellen Untersuchungen die Funktion der Mikrogliazellen im Gehirn von Mäusen genauer unter die Lupe genommen. Sobald sich die Beta-Amyloid-Peptide im Gehirn ablagern, „werden die Mikrogliazellen aktiviert und fressen einen Teil der Ablagerungen wieder auf“, erläuterte Professor Walter. Doch bei Alzheimer-Patienten scheint der Mechanismus zur Beseitigung der Peptide nicht richtig zu funktionieren. Hierfür haben die Bonner Wissenschaftler nun eine Erklärung entdeckt. Bestimmte Phosphatgruppen, die sich an die Peptide anlagern, verhindern einen Abbau durch die Mikrogliazellen. Hierdurch werde die schädliche Ablagerung der Beta-Amyloid-Peptide im Gehirn und somit die Entstehung von Alzheimer begünstigt, schreiben die Bonner Wissenschaftler.
Schwer verdauliche Alzheimer-Plaque
Sind an die Beta-Amyloid-Peptide entsprechende Phosphatgruppen gebunden, „dann wird ein insulinabbauendes Enzyms blockiert, das für die Aktivität der Mikrogliazellen von großer Bedeutung ist“, berichten Prof. Walter und Kollegen. Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe sind daher für die Mikrogliazellen „viel schwerer verdaulich als ohne“, so die Aussage der Experten. Dass die s insulinabbauenden Enzyme einen wesentliche Beitrag zum Abbau der Alzheimer-Plaque leisten, war schon seit längerem bekannt. Neu sei jedoch, „dass die Anknüpfung einer Phosphatgruppe diesen wichtigen Zersetzungsprozess blockiert“, so die Aussage des ebenfalls an der Studie beteiligten Dr. Sathish Kumar. Laut Aussage des Experten, lassen sich diese „Effekte nun auf ein einziges Enzym zurückführen.“ Rund 20 bis 30 Prozent der Peptide bei Alzheimer-Patienten verfügen den Bonner Forschern zufolge über eine Phosphatgruppe, die sie vor einem Abbau durch die Mikrogliazellen schützt.
Hoffnung für die Frühdiagnose und Therapie bei Alzheimer
Die Phosphatgruppe wirkt laut Aussage der Forscher in mehrerer Hinsicht negativ in Bezug auf eine Erkrankung an Alzheimer. Zum einen werde durch die Phosphatgruppe der Abbau der Beta-Amyloid-Peptide deutlich reduziert, zum anderen fördere das Phosphat die Verklumpung der Peptide und somit die Bildung der Plaques, erklärten Walter und Kollegen. Den knapp eine Millionen Alzheimer-Patienten die derzeit in Deutschland leben, können die aktuellen Erkenntnisse zwar keine wirkliche Hilfe bieten, doch für die Zukunft versprechen sich die Forscher einiges. So könnten möglicherweise spezielle Antikörper entwickelt werden, die gezielt „an die Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe binden und die gefährlichen Peptide außer Gefecht setzen“, schreiben die Bonner Wissenschaftler.
Weiter Weg bis zur Entwicklung neuer Alzheimer-Medikamente
Auch bestehe möglicherweise die Option, die Phosphatgruppen als Biomarker für den Nachweis einer Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium zu nutzten. „Wenn sich viele Phosphatgruppen an den Peptiden befinden, wäre dies ein Zeichen für ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken“, erklärten Prof. Walter und Kollegen. Bis entsprechende Diagnoseverfahren oder Therapieansätze abgeleitet werden können, sei es „aber noch ein sehr weiter Weg“, so die Aussage der Experten. Welcher Bedarf nach zusätzlichen wissenschaftlichen Arbeite hier besteht, lässt sich nicht nur anhand der unzähligen Studien, die derzeit zu dem Thema laufen, erkennen, sondern ergibt sich auch aus der Anzahl der Betroffenen. Mehr als zwei Drittel der heute in Deutschland lebenden 1,3 Millionen Demenz-Patienten leiden an Alzheimer und bis zum Jahr 2050 wird dem Demenz-Report 2011 des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zufolge eine Verdoppelung der Betroffenenzahlen erwartet. (fp)
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