Alzheimer bereits zehn Jahre vor Ausbruch durch neues Verfahren erkennbar
26.04.2012
Eine Forschergruppe um den Leipziger Nuklearmediziner Osama Sabri gelang die Entwicklung einer speziellen Tomographie zur Früherkennung von Alzheimer. Das neue Verfahren könnte bereits bis zu zehn Jahre vor Ausbruch der Krankheit die Alzheimer-typischen Eiweißablagerungen im Gehirn sichtbar machen. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft sieht im neuen Verfahren jedoch keinen allzu großen Nutzen für Patienten, so lange keine effektiv heilenden Therapien existieren. Denn Behandlungsansätze wie die Entwicklung eines Hemmstoffs sind noch wissenschaftliche Zukunftsmusik.
Eiweißablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten lange vor Ausbruch der Krankheit vorhanden
In Deutschland leiden rund 700.000 Menschen an „Alzheimer“. Laut Schätzungen von Experten könnte sich die Zahl bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Die degenerative Erkrankung beginnt mit leichter Vergesslichkeit und entwickelt sich bis zur ausgeprägten Demenz.
Auf der 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin in Bremen sollen nun zwei Substanzen vorgestellt werden, die die Veränderungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten bereits zehn Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome sichtbar machen können. Der Nuklearmediziner Osama Sabri und sein Team setzen dafür eine spezielle Tomographie, die Positronen-Emissions-Tomographie, ein. Die für Alzheimer typischen Eiweißablagerungen, sogenannte Beta-Amyloid-Plaques, entwickeln sich mindestens zehn Jahre vor dem Auftreten erster Gedächtnisstörungen, sagt Sabri. Um diese sichtbar zu machen setzen die Forscher neue schwach strahlende Substanzen, die Radiopharmaka, bei der Tomographie ein. Sabri berichtet, dass das Produkt eines Pharmaunternehmens bereits von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassen worden sei. Zudem komme ein von den Leipziger Forschern mit entwickelter Marker sehr wahrscheinlich noch in diesem Jahr auf den Markt.
Wirksamkeit von Medikamenten gegen Alzheimer mit neuem Verfahren überprüfbar
„Das ist eine signifikante Verbesserung der Diagnostik“, erklärt Sabri. Eine mögliche Erkrankung könne zum einen früher entdeckt und zum anderen auch von weiteren Formen der Demenz abgegrenzt werden. Derzeit läuft noch eine Studie für eine zweite Substanz, an der 20 am Frühstadium von Alzheimer erkrankten Patienten teilnehmen. Durch den Marker soll eine Störung bestimmter Rezeptoren im Gehirn nachgewiesen werden, die lösliche Vorstufen der Eiweißablagerungen bedingen. Das sei bislang nur durch aufwendige Messungen zu leisten, erklärt Sabri. Das neue Verfahren verbessere die Bildqualität und verkürze zudem die Dauer in der Röhre. Darüber hinaus könne die Wirksamkeit von Alzheimer-Medikamenten überprüft werden. „Die neuen Verfahren verbessern die Versorgung der Patienten“, sagt der Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Leipzig. Doch das sei nur der Anfang, denn es gebe immer noch keine erfolgreiche Therapie gegen Alzheimer.
Bisher keine erfolgreiche Therapie gegen Alzheimer
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft sieht das neue Verfahren zur Früherkennung von Alzheimer zwar als wissenschaftlich interessant an, jedoch als wenig nützlich für Betroffene. „Den Patienten wird das heutzutage aber nichts bringen, solange keine Therapie zur Verfügung steht“, erklärt Hans-Jürgen Freter, Sprecher der Gesellschaft. „Man wird sicherlich nicht sagen können, ob die Krankheit mit 70, 80 oder 90 Jahren ausbricht.“ Hinzu komme, dass Eiweißablagerungen im Gehirn auch bei Menschen vorkämen, die niemals an Alzheimer erkrankten. Die bestehenden Diagnoseverfahren würden laut Freter bisher zu selten genutzt. Dazu gehören beispielsweise psychologische Tests und Computertomographie. Diese Verfahren seien ausreichend, sofern sie angewendet werden. Betroffene sollten so früh wie möglich zum Arzt gehen, der die Beschwerden ernst nehmen und entsprechende Diagnoseverfahren einleiten sollte. Durch Medikamente könne das Fortschreiten der Erkrankung etwa um ein Jahr verzögert werden, berichtet Freter.
Nicht jede Demenz ist nicht gleich Alzheimer
Zwar leiden Alzheimer-Kranke an Demenz, jedoch leidet nicht jeder von Demenz Betroffene im Umkehrschluss auch an „Morbus Alzheimer“. Um die Art der Demenz herauszufinden, an der ein Betroffener leidet, stehen den Medizinern neben neuropsychologischen Tests auch bildgebende Verfahren, wie die Magnetresonanztomographie (MRT), mit deren Hilfe Alzheimer-typische Ablagerungen im Gehirn nachgewiesen werden können, zur Verfügung.
Für eine angemessene und geeignete Therapie und Pflege ist es zwingend erforderlich, Alzheimer von anderen Erkrankungen mit überschneidenden Symptomen abzugrenzen. Dazu gehören unter anderem Gehirntumore und -verletzungen, altersbedingte Vergesslichkeit, Depressionen bei älteren Menschen, Autismus, Störungen des Stoffwechsels (Unterzuckerung) bei Diabetikern, einfache Aphasie sowie Psychosen. Experten gehen davon aus, dass der größte Risikofaktor für Alzheimer das Alter ist. Nicht zuletzt deswegen wird für die Zukunft ein drastischer Anstieg der Alzheimer-Kranken erwartet. (ag)
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