Radioaktive Partikeln erreichen Europa: Wie viel Strahlung ist schädlich?
27.03.2011
Nachdem radioaktive Partikeln aus Japan laut Angaben des österreichischen Umweltbundesamtes auch Europa erreicht haben, fragen sich auch in Deutschland immer mehr Menschen, ab welcher Strahlenbelastung mit negativen gesundheitliche Folgen zu rechnen ist.
Durch die Kernschmelze in mindestens einem japanischen Kernkraftwerk treten radioaktive Partikel aus, die mit dem Wind auch Europa erreichen. So sei eine minimal erhöhte Radioaktivität bereits auf Island registriert worden, berichtet aktuell die deutsche Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Jedoch lägen die in Reykjavik gemessenen Werte nur minimal über der Nachweisgrenze und der in Deutschland geltende Grenzwert von maximal einem Millisievert (mSv) werde deutlich unterschritten, erklärte die ZAMG.
Hintergrundstrahlung führt zu natürlicher Strahlenbelastung
Generell wird jeder Mensch in unterschiedlichem Maße durch natürliche radioaktive Stoffe in Luft, Wasser und Boden einer gewissen Bestrahlung ausgesetzt, betonten die Experten der ZAMG. So sei jeder Deutsche durch die natürliche Hintergrundstrahlung jährlich mit rund 2 Millisievert belastet. Darüber hinaus verursachen medizinische Untersuchungen wie das Röntgen dem Bundesamt für Strahlenschutz zufolge hierzulande durchschnittlich eine Bestrahlung von zusätzlich rund 2 Millisievert je Einwohner. Andere Faktoren – wie zum Beispiel ein Wohnort in Nähe eines Atomkraftwerkes – können weitere Strahlenbelastungen auslösen. Dabei habe die verursachte Strahlung in der Nähe der deutschen Kernkraftwerke in der Vergangenheit jedoch durchschnittlich unter 0,01 mSv gelegen und sei daher für die Gesundheit unbedenklich, so die Aussage des Bundesamtes für Strahlenschutz. Für Personen, die aus beruflichen Gründen mit Radioaktivität zu tun haben, wie beispielsweise Mitarbeiter eines Atomkraftwerks, gilt laut Strahlenschutzverordnung ein Grenzwert von höchstens 20 mSv pro Jahr, in begründeten Ausnahmefällen von 50 mSv.
Maßeinheit zur radioaktiven Strahlenbelastung
Zur Messung der Strahlenbelastung, wird international die Maßeinheit Sievert verwendet, wobei nicht nur die Energieaufnahme durch den Körper sondern auch die Energieabgabe an die Körperzellen berücksichtigt wird. Denn die verschiedenen Formen der radioaktiven Strahlungen – Alpha-, Beta- oder Gammastrahlung – wirken äußerst unterschiedlich, was sich in entsprechenden Sievert-Angaben widerspiegelt. Sievert stellen anschaulich die biologische Wirkung der radioaktiven Strahlung auf Menschen, Tiere oder Pflanzen dar, wobei ein Sievert bereits eine sehr große Strahlungsdosis ist, die zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen kann. Im Bereich von einem bis sechs Sievert sind nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz Veränderungen im Blutbild, Übelkeit und Erbrechen, Haarausfall, Fieber und Schädigungen des Erbgutes mögliche Folgen. Eine Strahlenbelastung von sieben Sievert gilt bereits als tödlich, sollten keine medizinischen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Eine Strahlenbelastung mit über 20 Sievert führt innerhalb von zwei Tagen unweigerlich zum Tod der Betroffenen. Die aktuell zu verzeichnenden Messwerte (weniger als ein Tausendstel des zulässigen Grenzwertes von einem Millisievert) sind jedoch weit entfernt von den erwiesenermaßen schädlichen Strahlendosen. Allerdings kann es nach Aussage der Experten absolute Sicherheit beim Strahlenschutz leider nicht geben. Denn ähnlich wie bereits eine Zigarette im schlimmsten Fall Lungenkrebs auslösen kann, sind auch bei minimalen Strahlenbelastungen schon negative gesundheitliche Folgen denkbar.
Gesundheitliche Risiken minimaler Strahlenbelastungen nicht auszuschließen
Dies wurde von Atomkraftgegnern auch hierzulande immer wieder betont, wobei sie ihre Aussagen auf verschiedene wissenschaftlichen Studien stützen konnten, nach denen zum Beispiel bei Wohnorten in der Nähe von Atomkraftwerken die Anzahl der Leukämie-Erkrankungen von Kindern deutlich erhöht waren. So haben beispielsweise die Forscher des Deutschen Krebsregisters eine Studie vorgelegt, die zum dem Ergebnis kam, dass Kinder im Alter bis zu vier Jahren einem umso höheren Leukämie-Risiko unterliegen, je näher sie an einem Atomkraftwerk wohnen. Mit insgesamt 37 Kindern, die im Zeitraum von 1980 bis 2003 im Umkreis von fünf Kilometern um die deutschen Atomkraftwerke an Leukämie erkrankt sind, habe die Anzahl der Erkrankungen deutlich über dem statistischen Durchschnitt von 17 Fällen gelegen, teilten die Experten des Deutschen Krebsregisters mit. Zuletzt stellte das Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN) auch im Umfeld des maroden Atommülllager Asse eine überproportional hohe Anzahl von Leukämie bei Männern und Schilddrüsenkrebs-Erkrankungen bei Frauen fest. Ein Zusammenhang mit einer möglichen Strahlenbelastung wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz jedoch bei den Atomkraftwerken ebenso stets dementiert wie bei dem Atommülllager Asse.
Arbeiter in den japanischen Atomkraftwerken massiven Risiken ausgesetzt
Eine besondere Bedrohung geht nach Einschätzung der Experten von der aktuellen Strahlenbelastung durch die Kernschmelze in dem japanischen Atomkraftwerk für die Bevölkerung in Europa nicht aus. Die bisher gemessenen Werte liegen deutlich unter den Belastungen, denen nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz Anwohner eines Atomkraftwerkes täglich ausgesetzt sind. Außerdem seien die gesundheitlichen Folgen radioaktiver Strahlung von der Dauer, Art und Intensität der Strahlen abhängig. Bisher gehe aufgrund der Entfernung zu dem japanischen Atomkraftwerk in Fukushima und der Verdünnungseffekte hierzulande kein gesundheitliches Risiko von der freigesetzten radioaktiven Strahlung aus. Allerdings wird die japanische Bevölkerung erheblich höheren Strahlendosen ausgesetzt und insbesondere die Arbeiter im Atomkraftwerk Fukushima müssen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechnen. Laut offiziellen Angaben waren mehrere Arbeiter bei ihren Reparaturmaßnahmen im Atomkraftwerk Fukushima einer Strahlenbelastung von mindestens 170 Millisievert ausgesetzt.
Um den Rettungsarbeiten in den betroffenen japanischen Kernkraftwerken eine rechtliche Grundlage zu geben, hatte die japanische Regierung im Zuge der aktuellen Atomkatastrophe den Grenzwert für die maximal erlaubte Strahlenbelastung der Arbeiter in Atomkraftwerken von 100 mSv auf nun 250 mSv pro Jahr erhöht. Die Betreiberfirma des Atomkraftwerkes Fukushima, Tepco, hatte ihrerseits festgelegt, dass ein Arbeiter pro Noteinsatz nicht mehr als 150 Millisievert radioaktive Strahlung abbekommen darf, allerdings lag auch dieser Wert über dem ehemals gültigen Grenzwert von 100 Millisievert für Arbeiter in Atomkraftwerken. Die gesundheitlichen Risiken für die Helfer vor Ort scheinen angesichts des Ausmaßes der aktuellen Atomkatastrophe sowohl für die Regierung als auch für die Betreiberfirma eher an zweiter Stelle zu stehen. (fp)
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Bild: Gerd Altmann, Pixelio
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